Bauch raus! Oder wie sich das Verhältnis zu meinem Körper (dank Yoga) verändert hat.

Wieso geht mein Bauch einfach nicht weg? Ich hasse meinen Bauch! Schau mal, wie mein Bauch raussteht - grässlich!

Kennst du sie auch, die negativen Worte, die wir immer wieder an unseren Körper richten? Ich habe jahrelang meinen Bauch gehasst und schlecht über ihn geredet. Negative Gedanken, die ich regelmässig hatte, wenn ich mich im Spiegel musterte. Herablassende Worte, die immer wieder in meinen Kopf stiegen, wenn ich mich mit anderen verglich. Innerliche Stimmen, die mich runterzogen und mir das Gefühl gaben, nicht schön genug zu sein. Obwohl es „nur“ der Bauch war, der mich so störte (okay, vielleicht auch noch ein bisschen meine Oberschenkel und, ach, ja, das Hüftfett könnte auch weniger sein), waren die Auswirkungen auf mein Selbstwertgefühl, auf meine Körperwahrnehmung und – davon bin ich mittlerweile fest überzeugt – auf meine Gesundheit gross. Grösser als ich lange Zeit dachte.

Doch woher diese Selbstzweifel? Woher dieses Gefühl, anderen gefallen zu müssen und der Glaube daran, dass mein Bauch etwas daran ändern würde? Ganz ehrlich: ich weiss es nicht. Ich war immer sportlich, hatte einen gesunden Appetit, liebte das Essen und ass ausgewogen. Trotzdem hatte ich schon früh das Gefühl, „fester“ (wie ich diesen Ausdruck heute hasse) als die anderen zu sein.

Ein weiterer Faktor waren Glaubenssätze, die ich früh lernte. Ein Auszug davon liste ich hier auf, damit du verstehen kannst, dass auch nur kleine, oft unbewusste Kommentare andere Personen stark beeinflussen können. Bestimmt kennst du einige auch:

Ich habe Sport gemacht, also darf ich zugreifen. Heute Mittag esse ich nichts, weil ich am Abend eingeladen bin. Ich weiss, ich sollte nicht mehr schöpfen, aber es ist einfach so fein.

Zusätzlich haben Kommentare von aussen (zum Beispiel „sie ist schön, aber zu dick“), obwohl sie nur sehr selten vorkamen, mein Gefühl bestärkt und sich stark eingeprägt. Spannenderweise muss ich dazu sagen, dass solche Kommentare nie von Personen kamen, die ich kannte und die mir nahe standen. Trotzdem hat es wehgetan.

Anscheinend so weh, dass sich bei mir jahrelang ständig alles ums Essen gedreht hat – im negativen Sinn. Es ging immer darum, welche Diät oder welche Ernährungsform mir dabei helfen können, mein Wunschgewicht zu erreichen (sowieso, wieso sprechen wir immer von einem Wunschgewicht? Was sagt denn eigentlich die Zahl auf der Waage über uns und unseren Körper aus)? Ein paar Kilos flogen tatsächlich immer mal wieder durch die verschiedenen Versuche und Komplimente flogen mir auch zu. Zeitweise fühlte ich mich auch wirklich wohler mit schlankerem Körper, ich war stolz auf mich, diszipliniert zu sein und mehrere Wochen mein Gewicht halten zu können und endlich passte ich in eine kleinere Kleidergrösse. Doch war ich wirklich glücklicher? Ging es mir besser, weil ich in einem eng anliegenden T-Shirt sexy aussah? Weil ich auf der Waage eine kleinere Zahl sah? Überraschung, die Antwort ist: Nein. Im Gegenteil. Die Diäten waren anstrengend, das Kontrollieren meines Gewichts nahezu ein Zwang und das Auswärtsessen zeitweise nicht mehr entspannt. Nein, ich war nicht glücklicher.

Glücklich hat mich schlussendlich erst das Gefühl gemacht, zufrieden mit meinem Körper zu sein. Ihn so zu akzeptieren, wie er ist. Mit seinen Ecken (die habe ich übrigens nur bei den Wangenknochen) und Kanten (die nicht überall straff sind). Zufrieden mit meinem Körper zu sein, bedeutet nicht, dass ich ihn jeden Tag liebe und ihn immer wunderschön finde. Es bedeutet für mich viel mehr, ihn als Teil von mir anerkennen zu können und nicht ständig versuchen zu müssen, ihn zu verändern, nur weil er in meinen Augen nicht perfekt ist.

Yoga spielt auf diesem Weg, der mich ein Leben lang begleiten wird, eine grosse Rolle. In einem Yoga-Retreat, in dem ich neben der Yoga-Praxis viele verschiedene Meditationsformen kennenlernen durfte, habe ich gelernt, meinem Körper ein Stück näher zu kommen. Ihn auf eine andere Art zu spüren und ihn anders wahrzunehmen. Zum ersten Mal überhaupt habe ich realisiert, wie belastend das Verhältnis zu meinem Körper war, mit dem ich zu leben gelernt hatte, ohne dies als „schlimm“ wahrzunehmen (denn ich war ja nie magersüchtig und nur Menschen mit Magersucht haben ein wirkliches Problem mit ihrem Körper – hallo, wie konnte ich nur jemals so denken!?). In diesem Retreat habe ich erkannt, dass ich ständig meinen Bauch einziehe, wenn ich in der Öffentlichkeit bin. Ich habe gemerkt, wie schön doch das Leben sein kann, wenn man einfach den Bauch entspannt.

Bauch raus! ist seither mein Motto, an das ich mich immer wieder erinnere, wenn die negativen Gedanken mal wieder versuchen, sich durchzusetzen.

Die Yogapraxis habe ich seit da nicht mehr aufgegeben und mich dazu entschlossen, die positive Wahrnehmung des Körpers auch anderen Menschen weiterzugeben. Die Yoga- und Atemübungen helfen uns – oft unbewusst – uns selbst zu spüren, uns innerlich zu stärken und so unser Selbstbewusstsein zu verbessern. Die positiven Gedankenmuster und Glaubenssätze, die wir uns in den Lektionen in Gedanken rufen, können unsere Einstellung langfristig ändern. Es ist ein bewusster Weg, den wir gehen müssen, um für uns und die ganze Gesellschaft etwas zu verändern. Um zu erreichen, dass sich alle in der eigenen Haut wohlfühlen dürfen. Dass alle Körper schön sind.

Wenn mich heute jemand fragt, wo ich stehe, ist meine Antwort: ich bin im Prozess. Es gibt Tage, an denen ich am liebsten Schlabberkleidung trage, damit man meinen Bauch nicht sieht. Es gibt Tage, da schaue ich in den Spiegel und habe die Gedanken von früher wieder im Kopf. Aber, und das macht mich unglaublich stolz und glücklich, heute vergleiche ich mich viel weniger mit anderen. Negative Gedanken über meinen Körper kommen viel seltener zum Vorschein. Ich berühre oft meinen Bauch, massiere ihn und lerne ihn lieben. Ich mache keine Diäten mehr, sondern ernähre mich so, dass ich mich wohl fühle und nicht hungern muss. Es ist ein Weg, der mich immer begleiten wird, aber den ich heute gerne gehe, weil ich ich bin.

Vielleicht fragst du dich, wieso ich das alles schreibe? Weil ich es wichtig finde, über dieses Thema zu sprechen. Über unser Verhältnis zu unseren Körpern. Über Glaubenssätze in der Gesellschaft. Über die (Sozialen) Medien, die unser Bild prägen und uns abnormale Normen vorgeben. Weil ich es wichtig finde, dass wir uns bewusst werden, wie wir über unseren eigenen und andere Körper sprechen und denken. Weil ich nicht mehr sehen will, wie Menschen jahrelang eine Diät nach der anderen machen und sich doch nie wohl in ihrem Körper fühlen. Weil ich möchte, dass wir unsere Körper wieder als Körper wahrnehmen – als Teil von uns. Und immer häufiger auch als schönen Teil von uns.